Zwei Brüder

Nachricht Selsingen, 10. September 2020

Zwei Brüder

Es waren einmal zwei Brüder, die auf angrenzenden Bauernhöfen lebten und die eines Tages einen Streit hatten. Es war die erste ernsthafte Auseinandersetzung in 40 Jahren des friedlichen Lebens und Arbeitens Seite an Seite. Sie hatten sich ohne Konflikte Maschinen, Arbeitskräfte und Güter geteilt. Doch dann brach die lange Zusammenarbeit auseinander. Alles begann mit einem kleinen Missverständnis und wuchs sich zu einer großen Auseinandersetzung aus. Schließlich explodierte das Ganze und endete mit einem Austausch bitterböser Worte, gefolgt von Wochen des Schweigens. 

Eines Morgens klopfte es an der Tür von Klaus. Als er öffnete, stand draußen ein Mann mit der Werkzeugkiste eines Tischlers. „Ich suche nach Arbeit für ein paar Tage”, sagte er. „Hätten Sie vielleicht ein paar kleine Reparaturarbeiten hier und da? Könnte ich Ihnen helfen?” „Ja”, sagte der ältere Bruder. „Ich habe einen Auftrag für Sie. Schauen Sie einmal über den Bach auf meinem Hof. Da drüben wohnt mein Nachbar. Eigentlich ist es mein jüngerer Bruder. Letzte Woche haben wir uns gestritten, und er fuhr mit seiner Planierraupe an den Bachdamm, und nun ist da eine Abgrenzung zwischen uns. Nun, er hat das wahrscheinlich getan um mich zu ärgern, aber ich werde es ihm zeigen. Sehen Sie den Stapel Bauholz dort bei der Scheune? Sie könnten mir einen 2,5 Meter hohen Zaun bauen, damit ich seinen Hof nicht mehr sehen muss.” Der Tischler sagte: „Ich denke, ich verstehe Ihre Situation. Zeigen Sie mir die Nägel und den Bagger für die Pfostenlöcher, und ich werde alles zu Ihrer Zufriedenheit erledigen.” Der ältere Bruder musste in die Stadt fahren um Material zu holen, dann half er dem Tischler, alle notwendigen Geräte zusammenzutragen und war für den Rest des Tages auswärts unterwegs. Der Tischler arbeitete den ganzen Tag lang schwer. Er maß, sägte und nagelte. Als der Bauer bei Sonnenuntergang zurückkam, war der Tischler mit der Arbeit fertig. Die Augen des Bauern öffneten sich weit vor Staunen, und seine Kinnlade fiel herunter. Da war überhaupt kein Zaun. Es war eine Brücke ... eine Brücke, die von der einen Seite des Baches hinüber auf die andere führte! Mit fein gearbeitetem Geländer – und der Nachbar, sein jüngerer Bruder, kam mit ausgestreckter Hand auf ihn zu. „Du bist mir ja Einer! Eine Brücke zu bauen nach allem, was ich gesagt und getan habe.” 

Die beiden Brüder standen je an einem Ende der Brücke, und dann trafen sie sich in der Mitte und gaben einander die Hand. Als sie sich umwandten sahen sie noch, wie der Tischler seine Werkzeugkiste schulterte. „Nein, warten Sie! Bleiben Sie noch ein paar Tage. Ich habe noch jede Menge andere Projekte für Sie”, sagte der ältere Bruder. „Ich würde ja gerne noch bleiben”, sagte der Tischler, „doch ich habe noch viele andere Brücken zu bauen.” 

Ich habe den Eindruck, dass wir oft im Leben solch einen Tischler brauchen könnten, der uns voraus ist und der für uns Brücken baut, wo uns noch der Sinn nach Zäunen und Mauern steht. 

Und ich denke, dass es diesen Tischler schon lange gibt, dass er uns mit seiner Liebe und seiner Gnade immer schon voraus ist. 

Zu Jesu Zeiten waren Tischler und Zimmermann ein Beruf. Vom Anfang bis zum Ende seines irdischen Lebens hat Jesus es mit Holz zu tun. In einer Futterkrippe, in einem Stall wird er geboren, nicht im Tempel oder im Palast. An einem Kreuz durchleidet er die Gottverlorenheit von uns Menschen. 

Im Bild gesprochen: Jesus ist unsere Brücke zu Gott und zum ewigen Leben und zugleich der Brückenbauer in unserem Leben. Im Deutschen kommt das Wort „Sünde“ von „Sund“. Zum Beispiel gibt es zwischen der Insel Fehmarn und dem Festland einen solchen Sund. Jesus will all die „Sünde“, also alles, was uns von Gott, von anderen Menschen und von unserem eigentlichen Ich trennt, überbrücken. Wenn wir ihm unser Leben anvertrauen, dann merken wir: Jesus bringt uns mit Gott zusammen, er bringt uns mit Menschen neu zusammen, und er bringt uns mit uns selbst wieder zusammen. In der Gemeinschaft mit Jesus entdecke ich immer mehr, wie Gott mich gedacht und gemacht hat, und wer ich eigentlich bin. 

Ich wünsche Dir viele überrraschende und mutmachende Brückenerfahrungen mit Jesus, mit anderen Menschen und mit Dir selbst. 

Herzliche Grüße – Manfred Thoden

Manfred Thoden
Tel.: 04284 567

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