Du bist ein Gott, der mich sieht!

Nachricht Selsingen, 20. August 2020

'Du bist ein Gott, der mich sieht!'

 

Sie ist auf der Flucht. Sie läuft weg, immer weiter. Sie hat kein Ziel, sie will nur weg. Dort, wo sie herkommt, wurde sie gedemütigt, als Objekt behandelt. Sie trägt ein Kind in sich, bei deren Zeugung sie kein Mitspracherecht hatte. Ihr ist klar, dass sie nie wieder zurückgehen will. Sie hat dort keinen Platz, kein Zuhause, niemanden, der sich um sie kümmert. 

Sie ist erschöpft und hat brennenden Durst. Ihr geht das Trinkwasser aus. Sie weiß, dass sie nicht mehr lange leben wird, wenn sie nicht bald eine Wasserquelle findet.

Und selbst dann weiß sie nicht, wie es weitergehen soll. 

Soll sie nicht einfach aufhören zu laufen? 

Doch dann erinnert sie sich an das ungeborene Kind in ihr und schleppt sich weiter. Immer weiter, durch den brennend heißen Wüstensand. Plötzlich sieht sie eine Wasserquelle! Sie stolpert darauf zu, sinkt zu Boden, schöpft mit den Händen Wasser und löscht ihren Durst. Dann sinkt sie in sich zusammen und schließt ihre Augen. Wie soll es nur weitergehen? Sie kann nicht mehr, sie möchte aufgeben. 

»Hagar!« Plötzlich hört sie eine Stimme: »Woher kommst du? Und wohin willst du?«

Sie erstarrt, öffnet vorsichtig ihre Augen. Ein Engel steht neben ihr. »Woher kommst du und wohin willst du?« Auf die erste Frage kann sie eine einfache Antwort geben: »Ich bin meiner Herrin davongelaufen.« Auf die zweite Frage weiß sie keine Antwort. Dann sagt er: »Geh zurück, halte die Situation aus.« Hagar ist geschockt! Nie mehr will sie zurück! Auf gar keinen Fall! Aber der Engel spricht weiter: »Du wirst einen Sohn gebären und du sollst ihn Ismael nennen. 

Das heißt ›Gott hat gehört‹. Denn Gott hat dein Elend gesehen.«

Dann verschwindet der Engel so schnell, wie er aufgetaucht ist. Aber seine Worte hallen in ihr nach. »Gott hat dein Elend gesehen. Er hat es gesehen!« 

Bei jeder Wiederholung scheint sich etwas in ihr zu verändern. Ihr wird klar, dass der Engel ein Bote des Gottes ihres Herrn ist. Und er hatte eine Botschaft für sie: Sie ist nicht allein!

Es gibt jemanden, der ihre Situation, ihre Verzweiflung wahrgenommen hat. 

Jemand der SIE, eine einfache Magd erkannt hat, gesehen hat!  Mitten in der Wüste!

Hagar merkt, dass ihr das Kraft gibt. Genügend Kraft, um zurückzukehren und die Situation auszuhalten.

Langsam steht sie auf und wappnet sich für die Rückkehr. Sie erkennt: »DU bist ein Gott, der mich sieht.«

Hagar nennt Gott:  Gott, der sie sieht!
Gott, der dich sieht, Gott, der mich sieht!
Angesehen werden, das ist ein Grundbedürfnis des Menschen.

Säuglinge, die nicht angesehen werden, können sich nicht entwickeln. Der Kontakt, das Ansehen, das Gesehenwerden ist lebensnotwendig.

Am Ende jedes Gottesdienstes wird uns dieses Sehen Gottes zugesprochen:  'Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig.

Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.'
„Du bist ein Gott, der mich sieht.“ 

Das ist eine der schönsten Bezeichnungen für Gott, die ich kenne. Gott ist einer, der mich sieht; der mich nicht allein lässt. Nicht als der „große Aufpasser“ ist er da, sondern  er ist einer, der liebevoll nach mir schaut und der mir in der Not hilft, der mich auch in meiner eigenen Wüste sieht!

Hagar gibt Gott diesen Namen, weil sie aus ihren Erfahrungen mit anderen, als Sklavin weiß,
was es bedeutet, nicht gesehen zu werden;
was es bedeutet, als Person nicht beachtet zu werden;
links liegen gelassen zu werden. 

Und ganz erstaunt fügt sie hinzu – so erzählt es die biblische Geschichte: „Habe ich hier wirklich denjenigen gesehen, der sich nach mir umsieht?“  

Nach mir, die sonst keiner beachtet?
Nach mir, die nur ein kleines Rädchen ist?
Nach mir, bei der keiner merkt, wenn ich auf einmal nicht mehr da wäre. „Gott, du bist ein Gott, der mich sieht.“ 

Das, was hier in der Bibel geschildert wird, ist etwas ganz Besonderes und etwas Einmaliges, Erstmaliges, in mehrfacher Hinsicht.
Eine Frau, zudem noch eine Sklavin und eine Ausländerin, gibt Gott einen Namen!
Sie ist die erste Theologin, die nicht nur mit Gott redet, sondern die auch für ihre Erfahrung mit Gott Worte findet.  

 „Du bist ein Gott, der mich sieht.“ Das ist ein tröstlicher Gedanke!

Das ist eine hoffnungsvolle und Mut machende Erfahrung!

Der Gott des Lebens wendet sich uns zu! Er hält es aus, hin zu sehen, auch wenn wir schon gar nicht mehr können. „Du bist ein Gott, der mich sieht.“ 

Gott schickt einen Engel zu Hagar, der sie anspricht,
der sie anhört, der ihr zuhört,
der ihr Mut macht,
der ihr Nähe und Zuwendung signalisiert,
der ihr Orientierung gibt. 

Hagar macht die Erfahrung, dass sie auch in der Wüste, in der Einsamkeit nicht allein ist. Dass Gott seine Helfer schickt, die nach uns schauen. „Du bist ein Gott, der mich sieht.“ 

Nimm diese Erkenntnis von Hagar mit in deinen Alltag:
'Du bist ein Gott, der mich sieht!'
Wir haben einen Gott, der uns sieht!
In schwierigen Stunden und Tagen, in denen du dich verlassen fühlst, sag diesen Satz laut und schon ist es ein Gebet:

Du bist ein Gott, der mich sieht!

Amen.

Bleiben Sie behütet!
Herzlich grüßt Sie und Euch Edda Nolte

Edda Nolte

Am Telefon

Unter der Telefonnummer 04284-514 99 88 können Sie eine Telefon-Andacht anhören.