Liebe Leserin, lieber Leser,
Liebe Leserin, lieber Leser!
Nehmen Sie sich einen kleinen Zettel und einen Stift. Ich bitte Sie um Folgendes: Malen Sie einen Engel! Ja, genau jetzt!
Und wie sieht Ihr Engel aus? Klein und pummelig, ganz Michelangelo? Oder doch eher drahtig und sportlich wie ein griechischer Athlet? Eine kleine, niedliche Figur? Oder so, wie wir viele Bilder und Statuen vom Erzengel Michael kennen – große Flügel, majestätisch, groß und stark? Erinnern Sie sich auch an den orangefarbenen Aufkleber für Autos: „Fahre nicht schneller, als dein Schutzengel fliegen kann!“? Vielleicht haben Sie noch ganz andere Vorstellungen von Engeln…
Meine Urgroßmutter war eine fromme Frau. Bei ihrer Flucht brachte sie aus Bessarabien nicht viele Gegenstände mit. Das Bild mit dem Engel aber war ihr so wichtig, dass sie es unbeschadet nach Deutschland transportierte. Es hing über ihrem Bett. Nach ihrem Tod sollte ich es bekommen, da war ich sechs Jahre alt. Seitdem hängt es über meinem Bett, ganz gleich, wo dieses Bett im Laufe der Jahre stand. Es zeigt einen großen Engel im grün-rosa Gewand. Er hält schützend seine Hände über einen Jungen und ein Mädchen, die an einem Abgrund mit Reifen und Ball spielen. Im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts waren diese Bilder sehr verbreitet. Der Wunsch nach Schutz und Sicherheit war damals wie heute eine große Sehnsucht der Menschen. Mich lehrte dieses Bild: Ich bin Gott so wichtig, dass er einen Engel beauftragt, mich zu beschützen. Aber Engel sind nicht nur Beschützer und sie sind auch keine Fabelwesen. Engel haben keine eigene Macht, sie dienen Gott und bringen seine Botschaft zu den Menschen.
Am 29. September war Michaelistag. Wir denken an diesem Tag an die Engel auch als mächtige Boten Gottes, die dem Bösen widerstehen und als Gottes „Heerscharen“. Seinen Namen hat der Tag vom Erzengel Michael, dem kämpferischen und wegweisenden Engel. In der Apostelgeschichte lesen wir im 12. Kapitel eine beeindruckende Geschichte (Basisbibel): „Und in jener Nacht, als ihn Herodes vorführen lassen wollte, schlief Petrus zwischen zwei Soldaten, mit zwei Ketten gefesselt, und die Wachen vor der Tür bewachten das Gefängnis. Und siehe, der Engel des Herrn kam herein und Licht leuchtete auf in dem Raum; und er stieß Petrus in die Seite und weckte ihn und sprach: Steh schnell auf! Und die Ketten fielen ihm von seinen Händen. Und der Engel sprach zu ihm: Gürte dich und zieh deine Schuhe an! Und er tat es. Und er sprach zu ihm: Wirf deinen Mantel um und folge mir! Und er ging hinaus und folgte ihm und wusste nicht, dass das wahrhaftig geschehe durch den Engel, sondern meinte, eine Erscheinung zu sehen. Sie gingen aber durch die erste und zweite Wache und kamen zu dem eisernen Tor, das zur Stadt führt; das tat sich ihnen von selber auf. Und sie traten hinaus und gingen eine Gasse weiter, und alsbald verließ ihn der Engel. Und als Petrus zu sich gekommen war, sprach er: Nun weiß ich wahrhaftig, dass der Herr seinen Engel gesandt und mich aus der Hand des Herodes errettet hat und von allem, was das jüdische Volk erwartete.“
Mich beeindruckt die Macht des Engels. Die Situation erscheint so ausweglos, dass nur Gott sie auflösen kann – und das in aller Ruhe. Sogar anziehen kann Petrus sich noch, um wieder ins Leben zurück zu kommen und bereit für das zu sein, was ihn draußen erwartet. Und mir tut darüber hinaus Petrus Menschlichkeit gut. Dieser Mann, ein Christ erster Stunde, wertet den Engel nicht sofort als Gottesboten, sondern hält ihn für ein Hirngespinst. Erst im Nachhinein versteht er, wer der Urheber des Geschehens war. Ich habe den Eindruck, dass es mir manchmal auch so geht, wenn Gott in meinem Leben handelt. Im Rückblick erkenne ich mehr als in der Gegenwart. Wo ist Ihnen schon einmal ein Engel begegnet? Und was war seine Botschaft für Ihr Leben?
Herzliche Grüße, Sarina Alpers