Liebe Leserin, lieber Leser,
Wer am Samstagnachmittag Fußball geguckt hat, den hat nicht das EM-Spiel, sondern der Kampf um ein Leben mitten ins Herz getroffen. Während der Partie Dänemark gegen Finnland kollabierte der Spieler Christian Eriksen auf dem Platz und blieb regungslos liegen. Helfer:innen begannen sofort mit lebensrettenden Maßnahmen. Eriksen wurde nach 15 Minuten ins Krankenhaus gebracht. Mittlerweile befindet er sich auf dem Weg der Besserung. Die Spieler der eigenen Mannschaft schirmten Eriksen von den Kameras ab, indem sie einen Kreis um das Geschehen bildeten. In den Gesichtern der Menschen im Stadion zeichneten sich Schock und Sorge ab. Einige weinten, einige umarmten einander, gaben sich Halt. Alle hofften und bangten. Der Instagram-Account von Christian Eriksen füllte sich zeitgleich mit Botschaften: Bitte steh auf! Gott, bitte hilf ihm! Bleibe bei uns! Du schaffst es! Jede:r wusste natürlich, dass Eriksen das in diesem Moment gar nicht erreichen kann. Aber die Menschen brauchten einen Ort, um ihm gut zuzureden. Und nicht nur mit ihm haben sie gesprochen: Wie viele Gebete wird es wohl gegeben haben in diesen Minuten?
Mir fiel es schwer, mich vom Fernseher zu lösen. Die Ungewissheit und Sorge nahm mich in die Zange. Wie erleichtert war ich, als ich eine Stunde später im Radio die Nachricht hörte, Eriksen sei wach und ansprechbar. Eine Geschichte mit Happy End.
Mich beeindruckt, wie groß die Anteilnahme an solch einem Ereignis ist. Jemand aus der Familie Mensch kämpft um sein Leben und wir haben daran durch den Anlass eines Fußballspiels Anteil, ob wir wollen oder nicht. Es ist ein Zeichen für unsere Menschlichkeit, für unsere Empathie und es zeigt uns, dass wir miteinander verbunden sind. Gleichzeitig denke ich an die Menschen, deren Leid uns verborgen bleibt. Für manches tragen wir auf irgendeine Weise auch dadurch Verantwortung, wie wir leben, was wir konsumieren, wie wir die Macht einsetzen, die uns zur Verfügung steht. Ich denke an die, die es nicht schaffen, weil kein Retter in der Nähe ist. Ich denke an die, die einen lieben Menschen verloren haben und an die, die von niemandem vermisst werden.
Mich bewegt auch, dass die Menschen in solchen Momenten zurückgeworfen werden auf das Leben an sich. Alles andere ist Bonusmaterial, bedeutungslos. Die Funktionstüchtigkeit, die Gesundheit unseres Körpers (und der Seele) ist die Grundlage unseres Lebens. Gott hat ihn uns geschenkt und anvertraut. Wie wichtig ist es, dass wir ihm Beachtung und Fürsorge schenken.
Nach dem Spiel ist vor dem Spiel: Es geht weiter. Die EM geht weiter. Unser Leben auch. Was machen wir damit? Ich möchte in den nächsten Tagen beherzigen: Sei dankbar für dein Leben, deinen Körper, deine Seele. Sei dankbar für die Möglichkeiten, die du hast. Sei Gott dankbar für die Zeit, die er dir gegeben hat. „Meine Zeit steht in deinen Händen.“ (Psalm 31,16). Und als ich darüber nachdenke, was mir Gott mit dieser Erfahrung von der Zerbrechlichkeit des Lebens wohl noch schenken will, ploppt auf dem Profil einer Bekannten ein Spruch auf: „Meine Oma hat mal zu mir gesagt: Jeder, den du kennst, wird einmal seinen letzten Tag mit dir haben, ohne es zu wissen.“ Die Begegnungen mit Menschen sind Geschenke und einzigartig für den Moment. Es lohnt sich, ganz beim anderen zu sein und das Wir zu genießen, wann immer es möglich ist.
Herzliche Grüße, Sarina Alpers