Liebe Leserin, lieber Leser,
eine Geschichte aus der Bibel erzählt von Männern bei der Arbeit. Nebenan findet eine religiöse Veranstaltung statt. Die Männer sind befremdet, eigentlich ist es hier am See morgens ziemlich ruhig. Nunja, sollen die mal. Sie wenden sich wieder ihren Netzen zu: Algen herausholen und Risse in den Fäden flicken. Da sagt einer von nebenan: „Simon, ich brauche dein Boot als Kanzel. Kannst du mich auf den See fahren?“ Als Jesus fertig mit seiner Predigt ist, wendet er sich wieder an Simon und dessen Kollegen. Es geht um Fische: „Fahrt hinaus, dahin wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus!“ Vermutlich hat ein Fischer immer wieder mit guten Ratschlägen von Laien zu tun, die er mit einem Augenzwinkern quittiert. Hier lässt sich Simon, der Fisch-Profi, von Jesus, dem Zimmermann, reinreden und fährt auf den See. Jesus begegnet Simon bei der Arbeit. Er führt ihn nicht weg vom See, sondern auf den See. Er sagt nicht: „Vergiss jetzt mal die Fische!“, sondern er macht die Fische zum Thema. Jesus begegnet dem Fischer, und er trifft ihn nicht in einer Kirche, sondern im Beruf. Er führt ihn nicht weg vom Beruf, sondern erst richtig hinein. So kann es uns passieren: unsere Aufgabe in dieser Welt wird so zu unserer Berufung.
Diese Bilder durchziehen die Bibel: Gärtner des irdischen Gartens sind wir, wenn wir Kinder erziehen, Essen kochen, Autos montieren, Alte pflegen und den Traktor unaufgefordert neu betanken. Und zugleich: Unser Beruf zeigt uns, wie unsere Welt aus den Fugen geriet, als wir der Sünde die Tür öffneten. Nun ist der Acker der Erde nur noch, in jedem Beruf, zu allen Zeiten, voller Dornen und Disteln. Mit Mühsal ernähren wir uns davon unser Leben lang. Jetzt wird es so sein: Wir sind die Kains, die in ihrem Bruder Abel nur noch den Konkurrenten sehen können. Wir sind die babylonischen Türmchen-Bauer, die alle ihre berufliche Kunst einsetzen, um sich ein Denkmal zu setzen und einen Namen zu machen. In unserem Beruf zeigt sich darum auch unser Elend.
Und doch geht es durch die ganze Bibel hindurch: die Frauen und Männer, die Gott vertrauen, tun dies in ihren Berufen. Und Gott begegnet im Beruf, segnet den Acker trotz Dornen und Disteln, macht aus Beruf Berufung, beruft gerade im Beruf zum Glauben, zum Vertrauen und Gehorchen. Beruf – das ist Segen und Sinn, aber auch Fluch und Vergeblichkeit. Und so ist es auch für den, der glaubt, vom Anfang bis zum Ende: Segen und Sinn, aber auch Fluch und Vergeblichkeit.
Zwei Anstöße habe ich zum Nachdenken über den eigenen Beruf:
1. Anstoß: Jesus belegt das Boot von Simon mit Beschlag, aber eigentlich den Besitzer des Bootes. Mitten im Beruf spricht Jesus den Fischer an. Er fährt auf dem Boot ein Stück auf den See hinaus und kann so besser als vorher zu der Menge sprechen. Ich möchte Euch fragen, ja bitten: Denkt einmal nach. Welches Boot habt Ihr, das dem Herrn zur Kanzel werden kann? Was kann er nehmen, um genau damit sein Werk voranzutreiben?
2. Anstoß: Jesus macht Simon einen Vorschlag: „Fahr noch mal raus.“ Das ist die Stelle, an der Jesus den Profi-Fischer enorm provoziert. „Was weißt Du schon vom Fischen?“ Simon spricht sich aus vor Jesus: „Ach, Jesus, wir haben doch die ganze Nacht gefischt, wir haben nichts gefangen, wir erleben soviel Fluch und Vergeblichkeit.“ Simon kleistert es nicht fromm zu. Können wir das, vor Jesus und voreinander? „Ich komme gerade nicht weiter.“ „Ich habe immer noch keinen Job, das Geld ist so knapp.“ „Mich nerven die Kinder im Home-Schooling.“ Simon lädt den Fluch und Frust des Jobs bei Jesus ab, er ahnt, und er ahnt zurecht: Jesus ist zuständig für meinen Beruf. Versuch das einmal mit dem, was schwierig ist.
Zum Schluss: Jesus begegnet Dir, der Hausfrau, dem Schüler, der Altenpflegerin, dem Herdenwirt, der Kellnerin, dem Gärtner, der Geschäftsfrau - und er trifft dich nicht nur in einer Kirche. Er führt dich nicht weg vom See, sondern hinaus auf den See. Er sagt nicht, vergiss jetzt mal deine Fische, sondern er macht gerade deine Fische zum Thema. Amen.
Herzlich grüßt Ihr Markus Stamme