Von Freunden

Nachricht Selsingen, 13. August 2020

Liebe Leserin, lieber Leser,

Für die Sommertage hatte sich bei uns Besuch angekündigt. Auf dem Weg zur Nordsee nutzte die drei-köpfige Familie die Gelegenheit und hielt für ein paar gemeinsame Stunden bei uns an. An der Tür begrüßten wir uns herzlich. Als Gastgeber bekamen wir eine kleine Rose in einem Topf geschenkt. Sie stand und blühte auf dem Terrassentisch, während die Freunde da waren. Später erinnerte sie uns an den lieben Besuch. Nach einiger Zeit war die Blume verblüht. Wir stellten die Rose vom Tisch auf den Boden, und als es Herbst wurde mit Wind und Regen, kam die Blume auf den Kompost. Töpfe sortieren wir immer: vielleicht können wir einen ja noch wieder gebrauchen? – Den von der Rose nahm ich so noch einmal in die Hand, angetrockneten Sand streifte ich ab und betrachtete ihn genauer. Hübsch war der Topf anzusehen. Ein recht ungewöhnliches Muster, zweifarbig die Lackierung. Angenehm lag er in der Hand, war das tatsächlich Porzellan? Ich drehte den Topf um. Auf der Unterseite erkannte ich ein Firmen-Logo. Unsere Lieblings-Firma für Kaffee-Becher. Erstaunt entdeckten wir das Geschenk unserer Gäste noch einmal neu: unsere Besucher hatten uns diesen Kaffee-Becher geschenkt. Der ist nun mein Lieblingsbecher.  

So verändert sich, was wir ansehen unter unseren Blicken. Was sehen Sie, wenn Sie in den Spiegel sehen? – Mancher wird sagen „das Kind meines Vaters“ und meint damit „wir sind uns ganz schön ähnlich in der Familie“. Ein anderer könnte sagen: „Jemand, der schon mal mehr Haare hatte“ und meint damit, dass die Jahre ihre Spuren hinterlassen haben an uns. Im Spiegelbild sehen wir uns selbst. Und unsere Gedanken geben dem Bild eine Überschrift, die wir über uns aussprechen. 

Was meinen Sie, sieht Gott, wenn er Sie ansieht? Das Kind der Eltern? Ja. – Ein Gesicht, das sich durch die Zeiten verändert. Bestimmt. - Aber vor allem sieht er, wenn er Sie ansieht, einen Menschen, den er sich ausgedacht hat und den er liebhat. Am vergangenen Sonntag habe ich über einen Text aus dem Propheten Jeremia gepredigt. Jeremia hört, wie Gott etwas zu ihm sagt: „Ich kannte dich, ehe ich dich im Mutterleib bereitete, und hatte etwas mit dir vor, bevor du von deiner Mutter geboren wurdest.“ Das sagt Gott zu Jeremia – und es gilt ebenso für uns: Gott hat an uns gedacht, bevor ein Mensch an uns denken konnte. Er hat sich uns ausgedacht und sich unser Leben in all seinen möglichen Farben vorgestellt. Seine liebevollen Gedanken über uns gilt es für das eigene Leben zu entdecken. Denn über allen Überschriften, die wir unserem Spiegelbild geben, steht diese: wir sind Gottes Kinder. Wenn Sie sich das nächste Mal im Spiegel sehen, sagen sie sich das doch: „Ich bin ein Kind Gottes.“ 

Herzlich grüßt Ihr Pastor Markus Stamme 

Markus Stamme